Online-Nachricht - Donnerstag, 10.06.2021

Verfahrensrecht | Keine Wiedereinsetzung trotz pandemiebedingter Gründe bei Organisationsverschulden (FG)

Bei einem Organisationsverschulden der Kanzlei ist trotz pandemiebedingter Gründe keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO zu gewähren (; Revision nicht zugelassen).

Sacherhalt: Am , einen Tag nach Ablauf der Klagefrist, erhob die anwaltlich vertretene Klägerin eine Klage und stellte zugleich einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin war eine Kanzlei mit mehreren Berufsträgern. Die Rechtsanwältin, die die Klageschrift unterzeichnet hatte, trug vor, dass sie die Klage nicht fristgemäß habe erheben können. Ihre Mutter, die ihre beiden Kinder nach der pandemiebedingten Notbetreuung in der Schule bzw. Kindertagesstätte betreut habe, habe sie am Nachmittag des telefonisch darüber informiert, dass ihr Sohn Fieber bekommen habe. Eine Infektion ihres Sohnes mit dem Corona-Virus sei nicht auszuschließen gewesen. Da ihre Mutter zur sog. Risikogruppe gehöre, habe sie ihren Arbeitsplatz außerplanmäßig und übereilt verlassen. In einem emotionalen Ausnahmezustand habe sie ihren Laptop im Büro vergessen.

Die Richter wiesen die Klage wegen Nichteinhaltung der Klagefrist als unzulässig ab:

  • Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen nicht vor.

  • Denn es liegt aus zwei Gründen ein Verschulden der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vor:

  • Zum einen hat die Rechtsanwältin zumindest fahrlässig gehandelt, indem sie ihren Arbeitsplatz ohne weitere Vorkehrungen und Laptop verlassen hat. Spätestens als die Situation sich am Abend als harmlos herausgestellt hat, hätte sie die Klage noch erheben können.

  • Zum anderen ist von einem erheblichen Organisationsverschulden innerhalb der Kanzlei auszugehen. Die Prozessbevollmächtigte hat nicht erläutert, wie sie kanzleiintern die Einhaltung von Fristen in Verhinderungsfällen z.B. durch Vertretungs- und Informationsketten sicher stellt. Dies gilt auch in Zeiten der Covid-19-Pandemie, zumal die damit verbundenen Einschränkungen im Juni 2020 nicht mehr unvorhersehbar gewesen sind.

Hinweis:

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen. Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des FG Düsseldorf veröffentlicht.

Quelle: FG Düsseldorf, Newsletter Juni 2021 (il)

Fundstelle(n):
NWB WAAAH-80874