Aufwendungen im Zusammenhang mit Disziplinarverfahren sind Werbungskosten

Kosten eines Rechtsstreits sind nur dann als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, wenn der Steuerpflichtige ohne die Aufwendungen Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können (§ 33 Abs. 2 Satz 4 EStG). Auch Kosten einer Strafverteidigung sind nur selten abzugsfähig.

Prozess- und Anwaltskosten im unmittelbaren Zusammenhang zum beruflichen bzw. betrieblichen Bereich stellen hingegen abziehbare Werbungskosten oder Betriebsausgaben dar. Manchmal bewegen sich Aufwendungen aber im Spannungsfeld zwischen den einzelnen Bereichen.

So musste der BFH nun entscheiden, ob Kosten im Zusammenhang mit einem Disziplinarverfahren als Werbungskosten zu berücksichtigen sind. Sein Beschluss lautet: Rechtsverfolgungskosten eines Berufssoldaten für ein gegen ihn geführtes Wehrdisziplinarverfahren sind als Werbungskosten abzugsfähig, auch wenn das Verfahren wegen eines strafbaren Kommentars in den sozialen Medien eingeleitet wurde (BFH-Beschluss vom 10.1.2024, VI R 16/21). Weiterlesen

Bürokratieentlastung Nr. 4: Weitere Entlastungen basierend auf dem RegE

Bereits am 13.03.2024 hat das Bundeskabinett den Regierungsentwurf für ein Viertes Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) beschlossen, mit dem u.a. Aufbewahrungsfristen verkürzt und umsatzsteuerliche Pflichten erleichtert werden sollen. Im Vergleich zum Referentenentwurf (ich habe hierzu berichtet: BEG 4: Abbau des Schriftformerfordernisses als richtiger Schritt) sind weitere Entlastungen aufgenommen worden.

Hierdurch ist das Volumen für Entlastungen nochmals deutlich gestiegen: Es beläuft sich nunmehr laut Gesetzesentwurf auf rund 944 Mio. € pro Jahr.

Kernaspekte des BEG IV:

Bisherige Kernpunkte des Gesetzgebungsverfahrens sind sowohl die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege von zehn auf acht Jahre als auch ein deutlicher Wegfall der Schriftformerfordernisse zugunsten der Textform in zahlreichen Fällen. Beide Aspekte können als positiv bewertet werden. Neu im Vergleich zum RefE wurden nun weitere Aspekte aufgenommen: Weiterlesen

Elterngeld: Neue Einkommensgrenzen ab 1.4.2024 beachten!

Beim Bezug von Elterngeld gelten seit 1.4.2024 neue Einkommensgrenzen. Ab 1.4.2025 gelten nochmals strengere Grenzwerte. Was ist zu beachten?

Hintergrund

Das Elterngeld ist eine Ersatzleistung für das bisherige Einkommen, das Eltern oder Elternteilen zusteht, die nach der Geburt ihres Kindes zuhause bleiben und gar nicht oder nur teilweise wieder in das Berufsleben zurückkehren. Grundlage ist das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, das der Bund zuletzt während der Corona-Krise geändert hatte. Die Einkommensersatzleistung gibt es in drei Varianten: Als Basis-Elterngeld, als ElterngeldPlus oder als Partnerschaftsbonus-Basis-Elterngeld.

Welche Regeln sind in 2024 zu beachten? Weiterlesen

Update: OLG Bamberg bejaht Auskunftsanspruch im Corona-Impfschaden-Haftungsprozess

In einem Haftungsprozess wegen eines mutmaßlichen Impfschadens vor dem OLG Bamberg muss der Arzneimittelhersteller jetzt umfassend Daten offenlegen und Auskunft erteilen. Das kann Signalwirkung für eine Vielzahl gleichgelagerter Prozesse haben.

Hintergrund

Ich hatte im August 2023 im Blog über einen Haftungsprozess vor dem OLG Bamberg wegen eines mutmaßlichen Corona-Impfschadens berichtet (Corona-Impfschaden: Müssen Impfstoffhersteller haften?). Dort ging es vor allem um die Verletzung von Aufklärungspflichten im „Beipackzettel“ für einen Corona-Impfstoff, der in der Anfangsphase der Corona-Pandemie zugelassen worden war.

OLG Bamberg erlässt richtungsweisendes Teilurteil

Im Prozess um einen mutmaßlichen Corona-Impfschaden muss nach einem Teilurteil des OLG Bamberg (8.4.2024 – 4 U 15/23) der Impfstoffhersteller Astrazeneca jetzt umfassend Auskunft über Nebenwirkungen seines Impfstoffs „Vaxzevria“ erteilen. Das Unternehmen muss Daten zu allen bekannten Wirkungen und Nebenwirkungen des Impfstoffes zur Verfügung stellen sowie zu Erkenntnissen, die für die Bewertung der Vertretbarkeit schädlicher Wirkungen des Impfstoffes von Bedeutung sein können, soweit sie das Thrombose-mit-Thrombozytopenie-Syndrom betreffen. Die Auskunft muss für den Zeitraum der Zulassung des Impfstoffs am 27.12.2020 bis 19.2.2024 erteilt werden.

Bedeutung der Entscheidung

Das Ergebnis der erfolgreichen Auskunftsklage könnte für weitere Verfahren von großer Relevanz sein, in denen es ebenfalls um Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche nach mutmaßlichem Corona-Impfschäden geht. Weiterlesen

Doppelte Haushaltsführung: Fahrzeitersparnis von einer Stunde pro Strecke reicht nicht aus

Um die Kosten einer doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten abziehen zu können, muss der Zweitwohnsitz aus einem beruflichen Anlass heraus begründet worden sein. Dabei wird auch geprüft, ob durch den Zweitwohnsitz eine nennenswerte Fahrzeitersparnis erzielt wird. Ohne eine solche Einsparung wird der Werbungskostenabzug versagt.

Das FG Münster hat diesbezüglich entschieden, dass eine doppelte Haushaltsführung nicht anzuerkennen ist, wenn die Hauptwohnung und die erste Tätigkeitsstätte lediglich 30 Km auseinanderliegen und die Fahrzeit zur Arbeit mit dem Auto maximal eine Stunde beträgt (FG Münster, Urteil vom 6.2.2024, 1 K 1448/22 E). Weiterlesen

Update: Gesetz zur Anpassung der Betriebsgrößenklassen von Kapitalgesellschaften in Kraft

Am 16.4.2024 ist das Zweite Gesetz zur Änderung des DWD-Gesetzes sowie zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften verkündet worden (BGBl 2024 I Nr. 120). Damit treten die Anpassungen der Schwellenwerte bei den Betriebsgrößenklassen von Kapitalgesellschaften im Handels- und Genossenschaftsrecht am 17.4.2024 in Kraft.

Hintergrund

Die RL (EU) 2023/2775 der Kommission vom 17.10.2023 zur Änderung der RL 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch Anpassung der Größenkriterien für Kleinstunternehmen und für kleine, mittlere und große Unternehmen oder Gruppen ist am 21.12.2023 veröffentlicht worden und am 24.12.2023 in Kraft getreten. Auch im deutschen HGB sollen die monetären Schwellenwerte zur Bestimmung der Unternehmensgrößenklassen und der größenabhängigen Befreiung von der Pflicht zur Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts rechtzeitig nach den dafür erforderlichen Änderungen im europäischen Recht um jeweils rund 25 % angehoben werden.

Unmittelbar nach der EU-Veröffentlichung hatte das BMJ am 22.12.2023 eine Ergänzung des Gesetzentwurfs zur Einführung eines Leitscheidungsverfahrens beim BGH (BT-Drs. 20/8762) vorgeschlagen – ich habe Anfang Januar 2024 hierüber im Blog berichtet.

Was ist Kern des Gesetzes?

Bei der Einstufung von Unternehmen in Größenklassen anhand der neuen Schwellenwerte ist, außer in den Fällen des § 267 Abs. 4 S. 2 HGB (auch in entsprechender Anwendung nach § 293 Abs. 4 S. 2 HGB), stets auf zwei aufeinander folgende Geschäftsjahre abzustellen. Eine Kapitalgesellschaft wäre damit zum Abschlussstichtag 31.12. 2024 auch dann als klein anzusehen, wenn sie zu diesem Stichtag und zum 31.12. 2023 oder zum 31. 12.2023 und zum 31.12.2022 zwei der drei Merkmale des § 267 Absatz 1 HGB-E in der geänderten Fassung (Bilanzsumme 7.500.000 Euro, Umsatzerlöse 15.000.000 Euro, fünfzig Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt) nicht überschritten hat (BT-Drs.20/10428, S.12).

Die neuen Schwellenwerte sind verbindlich für alle nach dem 31.12.2023 beginnenden Geschäftsjahre zu berücksichtigen. Das neue Recht sieht in Ausübung des Mitgliedstaatenwahlrechts nach Artikel 2 Absatz 1 Unterabsatz 3 der Richtlinie (EU) 2023/2775 für Unternehmen die Möglichkeit zu einer vorgezogenen erstmaligen Anwendung der neuen Schwellenwerte bereits auf das nach dem 31.12.2022 beginnende Geschäftsjahr vor. Den Unternehmen wird somit das Wahlrecht eingeräumt, die Schwellenwertanhebung bereits für das Geschäftsjahr 2023 zu berücksichtigen. Eine Pflicht zur vorgezogenen Berücksichtigung der angepassten Schwellenwerte ist damit nicht verbunden.

Was befremdet?

Die gute Nachricht lautet: Die Schwellenwerte der Betriebsgrößenklassen von Kapitalgesellschaften sind mit Wirkung ab 17.4.2024 angepasst. Weiterlesen

Schluss, aus, Ende: Keine Reform der Umsatzsteuer in der laufenden Legislaturperiode!

In der laufenden Legislaturperiode wird es keine Reform der Umsatzbesteuerung mehr geben. Das hat die Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage (BT-Drs. 20/10534) mitgeteilt (BT-Drs. 20/10856).

Hintergrund

Schon das Gesetzgebungsverfahren beim (Ersten) Corona-Steuerhilfegesetz, insbesondere mit der befristeten Senkung des Umsatzsteuersatzes für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen (vgl. Rondorf, NWB 2020, 1838), war zeitlich ziemlich ambitioniert. Der Rechtssetzungsprozess beim Zweiten Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Zweites Corona-Steuerhilfegesetz) wurde aber nochmals beschleunigt: Von der Vorstellung des Konjunkturpakets durch die Regierungskoalition am 3.6.2020 bis zur Verkündung des Gesetzes im BGBI waren es gerade mal vier Wochen (s.a. Rondorf NWB 2020, 2068). 

Die Regierungskoalition von CDU/CSU und SPD hatte am 3.6.2020 beschlossen, zur Bekämpfung der Corona-Folgen und zur Stärkung der Binnennachfrage im Rahmen ihres Konjunktur- und Krisenbewältigungspakets den allgemeinen Umsatzsteuersatz von 19 % auf 16 % und den ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % auf 5 % – befristet auf das 2. Halbjahr 2020 – zu senken. Durch das Zweite Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise wurden die entsprechenden Regelungen in § 28 Abs. 1 bis 3 UStG  erlassen. Erstmals seit Einführung der Mehrwertsteuer in Deutschland im Jahr 1968 wurden damit – wenn auch nur befristet – die Umsatzsteuersätze gesenkt. Die sehr kurzfristig umzusetzenden Maßnahmen führten nicht nur zu einem erheblichen Aufwand für Unternehmer und ihre steuerlichen Berater. Sie warf zahlreiche materiell-rechtliche Fragen auf, die das BMF in einem sog. Einführungsschreiben v. 30.6.2020 (III C 2 – S 7030/20/10009 :004 BStBl 2020 I S. 584) beantwortete.

Eine dauerhafte Entfristung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen über den 31.12.2023 hinaus blieb bekanntlich – trotz wiederholter politischer Vorstöße, über die ich letztes Jahr im Blog berichtet habe – erfolglos.

Bundesregierung schließt weitere Reform in dieser Legislatur aus

Jetzt hat die Bundesregierung auf eine Anfrage der CDU/CSU-Opposition mitgeteilt, dass es eine Reform der Umsatzsteuersätze in dieser Legislatur nicht mehr geben werde (BT-Drs. 20/10856). Weiterlesen

Pflegepauschbetrag: Geringe Pflegeleistungen reichen für Gewährung nicht aus

Wegen der außergewöhnlichen Belastungen, die einem Steuerpflichtigen durch die Pflege einer Person erwachsen, kann er einen Pflegepauschbetrag geltend machen. Dies ist in § 33b Abs. 6 EStG geregelt. Die Gerichte haben aber – nunmehr wiederholt – verlangt, dass die von der Pflegeperson erbrachte Pflegedauer mindestens zehn Prozent des gesamten pflegerischen Zeitaufwandes betragen muss.

In diesem Sinne haben zuletzt das FG Düsseldorf (Urteil vom 13.11.2017, 15 K 3228/16 E) und das Sächsische FG (Urteil vom 24.1.2024, 2 K 936/23) entschieden. Schon vor längerer Zeit hatte das FG München entsprechend geurteilt (Urteil vom 14.2.1995, 16 K 2261/94). Weiterlesen

Qualifizierungsgeld soll Arbeit sichern

Mit dem sog. Qualifizierungsgeld sollen seit dem 1.4.2024 Betriebe und Beschäftigte stärker im Hinblick auf Weiterbildung unterstützt werden. Worum geht es und was ist zu beachten?

Hintergrund

Klimaneutralität und digitale Transformation: Die deutsche Wirtschaft muss aktuell einen Strukturwandel bewältigen. In vielen Wirtschaftsbranchen verändern sich die Anforderungen an den Arbeitsplatz, einige fallen vollständig weg. Deshalb soll es mit einer speziellen Förderung Beschäftigten ermöglicht werden, sich so fortzubilden, dass sie ihren Arbeitsplatz erhalten können. Diese Förderung ist am 1.4.2024 in Kraft getreten und Teil des Aus- und Weiterbildungsgesetzes vom Juli 2023 (BGBl 2023 I Nr. 191). Die Förderung durch Qualifizierungsgeld bei besonderer Strukturwandelbetroffenheit besteht neben der Basisförderung für alle Arbeitgeber und Beschäftigten.

Was ist das Qualifizierungsgeld und wie wird es ausgezahlt?

Zielgruppe des Qualifizierungsgeldes sind Unternehmen und deren Beschäftigte, denen durch den Strukturwandel der Verlust von Arbeitsplätzen droht, bei denen Weiterbildung jedoch eine zukunftssichere Beschäftigung im gleichen Unternehmen ermöglichen kann. Die zu qualifizierenden Beschäftigten erhalten während der Weiterbildung das mit dem Aus- und Weiterbildungsgesetz im Dritten Buch Sozialgesetzbuch (§§ 82 a bis c SGB III) verankerte Qualifizierungsgeld.

Das Qualifizierungsgeld ist Lohnersatz: Weiterlesen

Onlinezugangs-Änderungsgesetz (OZGÄndG): Bundeskabinett beschließt Anrufung des Vermittlungsausschusses

Der Bundesrat hatte die Zustimmung zum OZGÄndG verweigert: Am 10.4.2024 hat nun das Bundeskabinett die Anrufung des Vermittlungsausschusses beschlossen. Wie geht’s weiter?

Hintergrund

Mit dem OZG (v. 14.8.2017 – BGBl 2017 I S. 3122, 3138) sollten bis Ende 2022 alle Verwaltungsleistungen auch online angeboten werden. Dieses Ziel konnte aber nicht oder nicht vollständig erreicht werden: Wegen komplexer föderaler Strukturen, unterschiedlicher Digitalisierungsstände und einer heterogenen IT-Landschaft. Laut Dashboard zur OZG-Umsetzung waren bis August 2023 nur 127 der 575 vorgesehenen OZG-Leistungen bundesweit flächendeckend verfügbar (dashboard.ozg-umsetzung.de).

Deshalb hat die Bundesregierung am 24.5.2023 einen Gesetzentwurf vorgelegt, um notwendige Anpassungen am OZG vorzunehmen, das OZGÄndG, umgangssprachlich auch als OZG 2.0 bezeichnet. Der Bundestag hat das OZGÄndG am 24.2.2024 mit Regierungsmehrheit beschlossen.

Am 22.3.2024 hat der Bundesrat aber seine Zustimmung zum OZGÄndG verweigert. Der Grund vor allem: Der Bundesrat unterstützt zwar die Bemühungen des Bundes, den Fortschritt der Verwaltungsdigitalisierung in Deutschland zu fördern. Der Bundesrat kritisiert, dass der Bund sich mit dem OZGÄndG aus der Finanzierung der Verwaltungsdigitalisierung nahezu vollständig zulasten der Länder und Kommunen zurückzieht (BR-Drs. 93/1/24 v. 11.3.2024). Der Bundesrat spricht sich vor diesem Hintergrund dagegen aus, dass der Bund den Ländern und Kommunen gesetzliche Vorgaben macht, ohne die daraus entstehenden Kostenfolgen hinreichend genau zu beziffern. Es besteht die Erwartung einer auskömmlichen finanziellen bundesseitigen Beteiligung. Damit stand das OZGÄndG kurz vor dem „Aus“. Weiterlesen